Das vergangene Jahr war eines das herausforderndste der jüngeren Geschichte für die deutsche Gasbranche. Schuld daran trägt der Angriff Russlands auf die Ukraine und der Stopp russischer Gaslieferungen. Die Gaswirtschaft im vergangenen Jahr hat sich nach Ansicht des Branchenverbandes Zukunft Gas den Herausforderungen erfolgreich gestellt und es erfolgreich geschafft, die Versorgung im laufenden Winter sichergestellt.
Für das kommende Jahr fordert Zukunft Gas-Vorstand Kehler, die hohe Geschwindigkeit beim Ausbau einer resilienten Infrastruktur beizubehalten und die Transformation der Branche hin zur Wasserstoffwirtschaft im Fokus zu behalten, um auch weiterhin eine flächendeckende Belieferung sicherstellen zu können.
2022 in Zahlen
Erdgas hat 2022 seine bedeutende Rolle im deutschen Energiemix trotz des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und die daraus resultierende Energiekrise beibehalten. 23,8 Prozent der in Deutschland verbrauchten Primärenergie wurden im vergangenen Jahr durch Erdgas beliefert. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Anteil damit zwar um 26,7 Prozent zurückgegangen, Erdgas war trotzdem die zweitwichtigste Säule der Energieversorgung. Lediglich Mineral- und Heizöl war mit seinem Anteil von 35,2 Prozent (2021: 31,8 Prozent) größer. Der Erdgasverbrauch ging insgesamt deutlich stärker zurück (minus 13,6 Prozent) als der Primärenergieverbrauch (minus 5 Prozent).
Dr. Timm Kehler, Vorstand von Zukunft Gas, sieht hierin ein Anzeichen dafür, dass Wirtschaft und Gesellschaft die erforderlichen Einsparnisse durch die Energiekrise ernst genommen haben:
„Gemeinsam haben wir uns dem Energieterrorismus von Wladimir Putin entgegengestellt. Aber wir können nicht übersehen: Der an vielen Stellen vorgenommene ‚fuel-switch‘ von Gas zu Kohle oder Öl ist keine gute Nachricht für das Klima. Gleichzeitig zwingt uns die Krise, Gas neu zu denken. Dadurch erhalten unsere Anstrengungen in Richtung Dekarbonisierung und Transformation einen neuen Schub.“
Keine Entwarnung bei der Preissituation
Für eine Entwarnung ist es nach Ansicht von Zukunft Gas mit Blick auf die Preissituation allerdings noch zu früh. Die Großhandelspreise für alle Energierohstoffe waren 2022 extrem volatil und sind zusätzlich in ihrer Summe stark gestiegen. Erdgas verteuerte sich im Vergleich zum Vorjahr im Jahresmittel um 178 Prozent, Steinkohle um 170 Prozent und Erdöl um 44 Prozent.
„Unsere Handelspartner wollen Verträge über zehn oder mehr Jahre machen, wenn man hierauf keine Antwort hat, wird es schwierig werden die Versorgungssicherheit in Deutschland langfristig zu garantieren.“ Auch er begrüßt die Geschwindigkeit, mit der im vergangenen Jahr der Grundstein für eine deutsche LNG-Infrastruktur gelegt wurde. Dieses Tempo gelte es nun, beizubehalten: „Gut diversifizierte Lieferquellen, Speicher sowie Pipeline- und LNG-Transportinfrastruktur sind entscheidend, um Engpässe auch in Zukunft vermeiden zu können“, erklärt Gregor Pett, Chefanalyst bei Uniper.
Erdgas im Strombereich
Erdgas spielt auch im Strombereich eine wichtige Rolle, 13,3 Prozent des Anteiles an der Bruttostromerzeugung wurde so im vergangenen Jahr gedeckt. Kehler begrüßt den im vergangenen Jahr erfolgten Ausbau der erneuerbaren Energien, der zu einem Erneuerbaren Anteil von 42,8 Prozent an der Bruttostromerzeugung (2021: 39,5 Prozent) führte.
„Die steigende Menge an schwankender Kapazität durch die Erneuerbaren sorgt für große Herausforderungen. Nach unseren Berechnungen müssen wir bis 2030 eine Lücke von 15 Gigawatt schließen, um auch dann flexibel einsetzbare Energie liefern zu können, wenn die Erneuerbaren nicht zur Verfügung stehen. Wir begrüßen daher die Diskussion über ein neues Marktdesign, wie es das Bundeswirtschaftsministerium plant.“ Zukunft Gas hat im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen enervis einen Vorschlag für einen umfassenden Kapazitätsmarkt unterbreitet, in dem eine Vergütung auch für vorgehaltene Energiekapazitäten stattfindet. „Wir wollen einen Wettbewerb zwischen den Technologien um das Gut der Versorgungssicherheit. Dann kann der Markt über ein effizientes Technologieportfolie entscheiden“, so Kehler.
Wärmemarkt und Gas
Kehler spricht sich auch für einen Wettbewerb zwischen den Technologien im Wärmemarkt aus. Im vergangenen Jahr wurde mit 980.000 Geräten eine Rekordzahl installiert. Die mit Gas betriebenen Heizsysteme sank zwar um 8 Prozent, mit knapp 600.000 Systemen wurden aber doppelt so viele eingebaut wie Wärmepumpen.
„Gasheizungen bleiben marktbestimmend“, erklärt Kehler. „Knapp die Hälfte der Bundesbürger heizt mit Gas. Auch wenn der Absatzsprung mit mehr als 53 Prozent plus bei Wärmepumpen beeindruckend ist, dürfen wir die absoluten Zahlen nicht aus den Augen lassen und müssen vor allem den 41 Millionen Bundesbürgern, die heute mit Gas heizen, eine bezahlbare Perspektive anbieten.“, erklärt Kehler.